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Das Widerrufsrecht für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge: Klare Regeln, hohes Risiko bei Belehrungsfehlern

Neue Leitentscheidungen des BGH (VII ZR 133/24; VII ZR 151/22)

A. Einleitung

Das Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ist eines der wichtigsten verbraucherschützenden Instrumente des deutschen Zivilrechts. In jüngster Zeit hat der Bundesgerichtshof hierzu mit den Urteilen VII ZR 133/24 (Urt. v. 20.2.2025) und VII ZR 151/22 (Urt. v. 6.7.2023) seine Rechtsprechung weiter präzisiert und wichtige Grundsätze zum Widerrufsrecht bei Verträgen außerhalb von Geschäftsräumen konkretisiert.

B. Was war passiert?

Im Urteil vom 6. Juli 2023 (VII ZR 151/22) hat der Bundesgerichtshof eine grundlegende Weichenstellung für die Reichweite des Widerrufsrechts bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen vorgenommen. Der Senat stellte klar, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 312b BGB nur dann eröffnet ist, wenn Vertragsschluss und gleichzeitige Anwesenheit von Unternehmer und Verbraucher außerhalb der Geschäftsräume zusammentreffen. Wird hingegen ein Angebot außerhalb der Geschäftsräume gemacht, die Annahme jedoch zu einem späteren Zeitpunkt – auch außerhalb der Geschäftsräume — erklärt, so fehlt es an dem gesetzlichen „Überrumpelungsmoment“. Ein Widerrufsrecht nach den verbraucherschützenden Vorschriften entsteht dann nicht. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall, konnte der Verbraucher mit der Klage auf Rückzahlung des Werklohns für Dachdeckerarbeiten nach erklärtem Widerruf daher nicht durchdringen, da die streitgegenständlichen Zusatzarbeiten zwar außerhalb von Geschäftsräumen auf der Baustelle beauftragt worden waren, aber erst einen Tag nach dem entsprechenden Angebot des Unternehmers, das ebenfalls auf der Baustelle abgegeben worden war. Nach den Feststellungen des BGH fehlte es in diesem Fall also an der erforderlichen gleichzeitigen körperlichen Anwesenheit von Verbraucher und Unternehmer bei Angebot und Annahme (Vertragsschluss): „Ein Vertragsschluss bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien außerhalb von Geschäftsräumen liegt danach nicht vor, wenn der Verbraucher ein vom Unternehmer am Vortag unterbreitetes Angebot am Folgetag außerhalb von Geschäftsräumen lediglich annimmt.“ Mit dieser Entscheidung konkretisierte der BGH die engen Voraussetzungen für die Entstehung des Widerrufsrechts und schuf damit einen klaren gesetzlichen Rahmen zum Schutz beider Vertragsparteien.

Hieran anknüpfend hat der BGH mit Urteil vom 20. Februar 2025 (VII ZR 133/24) die Folgewirkungen einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung vertieft. Im zugrunde liegenden Fall beauftragte ein Autobesitzer nach einem Unfall auf der Autobahn vor Ort ein Reinigungsunternehmen mit der Beseitigung der Ölspur. Dabei wurde eine Widerrufsbelehrung übergeben, das gesetzlich vorgeschriebene Muster-Widerrufsformular jedoch nicht ausgehändigt. Da der Unternehmer den Verbraucher damit nicht ordnungsgemäß belehrt hatte, hielt der BGH fest, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann und der Verbraucher auch nach vollständiger Leistungserbringung den Vertrag widerrufen konnte. Der Unternehmer verlor dadurch seinen Anspruch auf Werklohn. Auch die Dringlichkeit der Reinigung und die Tatsache, dass die Arbeit bereits geleistet war, konnten daran nichts ändern.

C. Die strengen Folgen fehlerhafter Widerrufsbelehrungen – Ein erheblicher Risikofaktor für Unternehmer

Das letztgenannte Urteil des Bundesgerichtshofs von Februar 2025 führt in aller Deutlichkeit vor Augen, welches Risiko Unternehmer eingehen, wenn sie Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen nicht sorgfältig und vollumfänglich über ihr Widerrufsrecht informieren.Bereits kleine Fehler in der Widerrufsbelehrung (im vorliegenden Fall das Versäumnis, das gesetzlich vorgeschriebene Muster-Widerrufsformular auszuhändigen) setzen das für Unternehmer so gefürchtete “ewige” Widerrufsrecht in Gang. Die gesetzliche Widerrufsfrist von 14 Tagen beginnt dann nicht zu laufen, sondern das Widerrufsrecht des Verbrauchers endet erst nach 1 Jahr und 2 Wochen (vgl. § 356 III BGB). Dies bedeutet: Selbst nach vollständiger, ordnungsgemäßer Ausführung der beauftragten Dienst- oder Werkleistung kann der Verbraucher sich – ohne jede Gegenleistung – einseitig vom Vertrag lösen. Ein finanzielles Desaster für den Unternehmer kann die Folge sein, das auch durch berechtigtes Empfinden über die wirtschaftliche Härte nicht korrigiert wird.

Der Bundesgerichtshof hat unmissverständlich klargestellt: Nur in extremen Ausnahmefällen, etwa bei nachweisbarer Arglist von Verbraucherseite, kann der Unternehmer in derartigen Fällen der Widerrufserklärung des Verbrauchers mit der Einrede des Rechtsmissbrauchs begegnen. Typische praktische Erwägungen – wie die Dringlichkeit der Leistung oder das gewählte Vertragsmodell – vermögen das Verbraucherschutzregime nicht zu durchbrechen.

Für die betriebliche Praxis bedeutet dies: Den Informationspflichten gegenüber Verbrauchern, insbesondere der ordnungsgemäßen und vollständigen Widerrufsbelehrung unter Beifügung des Musterformulars, ist mit höchster Sorgfalt nachzukommen. Jede Nachlässigkeit kann am Ende den vollständigen Verlust des (Werk-)lohns bedeuten – auch und gerade dann, wenn die Leistung längst und ordnungsgemäß erbracht wurde

Unternehmer, die sich diesem Risiko aussetzen, handeln auf eigenes Risiko – und nur derjenige, der sich strikt an Wortlaut und Systematik der gesetzlichen Vorgaben hält, ist vor bösen Überraschungen geschützt.

D. Fazit

Die Rechtsprechung des BGH zum Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen zeichnet ein klares Bild: Verbraucher erhalten weitgehenden Schutz, Unternehmer dürfen sich auf keinen Fall auf Einzelfallgerechtigkeit oder bloße Billigkeit berufen. Vollständige und ordnungsgemäße Erfüllung der gesetzlichen Belehrungspflichten ist zwingend, ansonsten droht der Totalverlust des Vergütungsanspruchs.

Der ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung ist daher – ebenso wie bei Online-Geschäften – große Beachtung zu schenken. Falls Sie hierzu Fragen haben oder eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung für Ihre Praxis benötigen, sprechen Sie uns gerne an!


Ein Fachbeitrag aus dem DIRO-Netzwerk

Beitrag veröffentlicht am
13. Juni 2025

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